Bricolage Gewerbe Wunstorf
2. Preis
Clemens Fabian Bähr und Felix Luther
Konzept
In unserem modernen Diskurs über die Frage der Nachhaltigkeit in der Architektur, ist das Problem der Ressourcenknappheit, wie auch das der gesellschaftlichen Veränderungen unumgänglich. Das betrifft nicht nur die Architekten, sondern auch die Sektoren der Mobilität, Industrie, Landwirtschaft, Forstwirtschaft und anderer. Eine interdisziplinäre Betrachtungsweise im Bauwesen ist notwendig, führt allerdings zu einem deutlich vielschichtigen Betrachtungshorizont und einer ebenso komplexeren, wie auch komplizierteren Problemlösung unserer Zeit.
Was allerdings außer Frage steht, ist dass wir nur im Diskurs einen Weg raus aus dem verbliebenen Handlungskorridor finden können. Doch wie könnte ein innovativer und nachhaltiger Beitrag zum konventionellen Bauen der Zukunft aussehen?Ist es möglich das Arbeiten mit vorhandenen Bausubstanzen und neuen nachhaltigen Baustoffen zu kombinieren?Wie könnte ein Rückbau und eine Bauteilwiederverwendung eines Bestandes aussehen?
In diesem Pilotprojekt werden ebendiese Themen besonders beleuchtet und der Frage nach der Relevanz von Bauteilwiederverwendungen genauer nachgegangen.
Piktogramme
Aue
Als Grundausrichtung der Setzung wird die Fließrichutng der sich südlichg befindlichen Aue aufgenommen und auf das Gebiet übertragen.
Brechen der Parallelität
Geschicktes „Brechen“ der Riegel lässt eine Art „Setzungskorsett“ entstehen, wodurch angenehm große Zwischenräume und Innenhöfe entstehen.
Nachverdichtung
Eine Nachverdichtung wäre im nördlichen Teil denkbar. Auch hier entsteht durch das „Brechen“ der Riegel ein begrünter Innenhof mit Aufenthaltsqualität.
Wiederholbarkeit
Der entwickelte Entwurf nach dem Prinzip der Bauteilaufnahme, wäre entlang der Aue wiederholt realisierbar, wodurch ein großes Quartiert entsteht.
Bauteilkatalog
Für das Arbeiten mit Bestandselementen in einem Bauteilkatalog, bedarf es einer ausführlichen Dokumentation. Kommt es zu einer Wiederverwendung eines Bauteils, muss auf die aufgenommenen Daten aus dem Bauteilkatalog zurückgreifenbar sein. Für jedes verbaute Element wurden im Zuge der Analyse Daten aus drei Kategorie gesammelt:
Grunddaten: Verortung, Jahr des Einbaus, Handelsüblichkeit, Materialität Physik: Anzahl, Rolle im Bauwerk, Dimensionen, VolumenUmwelt: Wärmeleitfähigkeit, eingespartes Co2, Abbauskala
Im Rahmen der Bestandsbesichtigung am 10. April 2024 wurden erste Bauteilverortungen fotografisch dokumentiert und Problemstellen analysiert:
Aufgrund der unterschiedlichen Bauphasen des Bestandes, musste neben dem Jahr des Einbaus und der Handelsüblichkeit, auch die Materialität pro Bauteil festgehalten werden.Das Unternehmen der Familie Hohenhaus baute 1971 die erste Halle mit dem östlichen Verwaltungstrakt. Es folgten zwei Hallenerweiterungen bis 1994, bei denen handelsübliche Fertigbetonteile zur Verwendung kamen.
Beim Baumaterial setzte man auf Leichtbeton mit Bewehrungsstahl. Lediglich bei der letzten Hallenerweiterung entschied man sich bei den Fassadenelementen für großflächige Schwerbetonteile statt Leichtbeton.
Parallel erfolgte eine stetige digitale Datenaufnahme in Form eines 3D-Modells, welches genauere Auskünfte zur Anzahl der verwendeten Bauteile im Bestand gab.
Neben den physikalischen Eckdaten, ist auch die Rolle im Bestand nicht unwesentlich:Die neue Verwendung eines Bauteils wird anfangs mit der ursprünglichen Rolle im Bestand abgeglichen. Ein Bauteil, das im Bestand eine schützende Funktion und somit der Witterung ausgesetzt war, kann sowohl im Innen- als auch Außenraum Verwendung finden. Ein tragendes Bauteil, das bei Aussetzung der Witterung möglicherweise an Tragfähigkeit verlieren würde, lässt sich deutlich schlechter in der schützenden Schicht wiederverwenden.Neben den anderen Faktoren wird auch hier der Handlungsspielraum in der Planung deutlich eingeschränkt. Im Fall der Bestandshallen trifft das allerdings nur auf vereinzelte Bauteile (z.B. 3B,4B) zu.
Die Bauteildimensionierung und das Bauteilvolumen beschränkt ebenfalls die Wiederverwendbarkeit. Vor allem groß dimensionierte Elemente wurden früh in den Entwurf mit eingebunden um spätere Planungsprobleme zu umgehen. Hier ist es neben der Machbarkeit erstrebenswert, ungünstige Reststücke durch möglichen Zuschnitt zu vermeiden.
Mit dem Bauteilvolumen einhergehend, wurde auch die Dämmeigenschaft in Form von der Wärmeleitfähigkeit und dem eingesparten Co2 berechnet und dokumentiert.
Eine Lagerung der Bauteile, sollte genauso wie ein gut geplanter Abbau der Halle sichergestellt sein.Die Abbauskala gibt dabei Auskunft über die Einfachheit des Rückbaus eines Bauteils. Genauere Informationen lassen sich aus dem Quartett oder dem Bauteilkatalog entnehmen.(siehe QR-Code)
Das weitere Verfahren im Entwurf „Bricolage Gewerbe Wunstorf“ basiert auf der Arbeit mit dem Bauteilkatalog.
Quartettkarten
Mit den Quartettkarten finden Sie rechts zusammengefassst die gesammelten Analysergebnisse pro Bauteil. Zusehen sind alle Bauteile, die einen wesentlichen Bedeutung in der Wiederverwendung im Entwurf waren.
Bauteilkategorien:
Wohnformen
Im Generationen Wohnen genießen die Bewohner*innen neben einer guten Erschließung anderer Quartiershäuser und zum Carport, ein umfassend autonomes Erdgeschossprogramm:
In den mittleren zwei Partien befinden sich Gemeinschaftsräume, die von einem zuständigen Bewohner*in betreut werden sollen. Neben einer Nasszelle und einem Abstellraum, gehört auch eine Küchenzeile zur Grundausstattung. Hier können Veranstaltungen wie Workshops oder Grillabende mit Zugang zum südlichen Hof stattfinden. Flankiert werden die beiden Räume von einem Fahrradabstellraum (Osten) und einer autonomen Bäckerei (Westen), die ebenfalls von den Bewohner*innen des Hauses geführt werden soll.
Die Erreichbarkeit der Obergeschosse wird über zwei vertikale Erschließungskerne und einem Laubengang gewährleistet. Der Laubengang fungiert als großzügige Terrasse und lädt zum Dialog mit anderen Bewohner*innen der Etage ein.
Durch besonders breite Durchgangsbreiten sind neben Mehrgenerationenwohnungen auch Senioren-WGs, rollstuhlgerechte Wohneinheiten wie auch andere neue, vielfältige Wohnformen denkbar.
Im Falle von pflegebedürftigen Bewohner*innen, soll neben der Familie auch auf das Angebot von häuslicher wie auch stationärer Pflege ohne Standortwechsel zurückgreifenbar sein.
Im Haus Städtisches Wohnen soll das Leben von kleinen und jungen Familien, Berufseinsteiger*innen oder Wohngemeinschaften gestaltet werden. Das Haus soll die Möglichkeit, nicht aber die Verpflichtung zum gemeinschaftlichen Leben bieten. Hierfür sorgen diverse Aufenthaltsorte im öffentlichen, wie auch privaten Raum:
Das Erdgeschoss bietet neben zwei verwalteten Gemeinschaftsräumen (wie in Haus „Generatinen Wohnen“), eine Bar und eine gemeinsame Waschküche.Nördlich befinden sich anmietbaren Arbeitsräume die von startups, jungen Unternehmen oder als Spielraum genutzt werden können. Die verhältnisweise großzügigen Faltfenster ermöglichen hier das Arbeiten im unmittelbaren Grünraum.Drei zentrale Erschließungskerne stellen den Wohnungszugang sicher.Neben den Gemeinschaftsräumen im Erdgeschoss genießen Bewohner der 3,5 bzw. 4,5 Zimmer Wohnungen im Obergeschiss ein südlich ausgerichtetes, mit dem Nachbar geteiltes, Kaminzimmer.
Um in Zukunft flexibel auf ein Wohnraumdefizit reagieren zu können, lässt sich ein „Jokerzimmer“ zwischen zwei Wohnungen dazuschließen. Gleichzeitig lässt sich diese Einheit aber auch als Einliegerwohnung nutzen. Bewohner einer Einliegerwohnung haben jedoch keinen direkten Zugang zum Kaminzimmer.
Das Saisonale Wohnen zeichnet sich durch ein großes, teils zweigeschossiges Zimmer im Süden des Hauses aus: Hier kann ein bepflanzbares Saisonzimmer ausgebildet werden, welches über alle Etagen einen rhythmisierenden Übergang zum Außenraum bilden.
Das Innenraumbild des Hauses wird neben den verbauten Bestandselementen von massiven Stampflehmwänden geprägt, welche die Wohnungstaktung in Längsrichtung vorgeben.
Ein weiteres wichtiges Element ist die L-förmige Erschließungstreppe, die die Wohnung in einen vorderen und hinteren Bereich trennt:Neben der Küche mit dem Essbereich im Norden, lassen sich im Süden mit dem Wohn- und Saisonzimmer unterschiedliche Wohnsituationen orchestrieren. So ist das Wohnen in einem zusammenhängendem Raumkontinuum ebenso möglich, wie ein Abtrennen in einzelne Zimmer.
Explizit äußert sich diese vertikale Flexibilität in jeder Reihenhauseinheit durch die Zuschließbarkeit oder Trennung der Obergeschosse zum Erdgeschoss: Das Bilden von einer Duplexwohnung ist genauso gut denkbar, wie die Teilung des Reihenhauses in zwei kleinere Singlexeinheiten.
Zwei große Gemeinschaftswaschküche im Erdgeschoss der letzten beiden Reihenhäuser, stehen der gesamten Bewohnerschaft zur Verfügung.
Das Wohnen im Grün lehnt sich inhaltlich an das Haus 3 (Haus mit Saisonzimmer) an. Beide Wohnetagen lassen sich zu einer Wohnung zusammenschließen, können aber auch in zwei Wohnungen getrennt werden.
Auch hier sorgt ein Verteilerraum beim Eingang im Norden für die mögliche Trennbarkeit.Bewohner des Hauses profitieren durch die südlich angrenzenden Nutzgärten in erster Linie von der Nähe zur Natur. Ob für den eigenen Anbau, dem Verweilen oder Spielen mit Freunden, die Gärten sollen vielseitig genutzt werden und sorgen durch die Vegetation für eine adiabate Kühlung (Siehe Energiekonzept).
Wie auch schon bei dem Haus „Saisonales Wohnen“, gründen diese Reihenhäuser auf Streifenfundamenten aus Bestandsbauteilen (Bauteile 1H-4H). Auf ihnen befinden sich die massiven Stampflehmwände, die konstruktiv wie auch inhaltlich eine klare Trennung vorgeben.
Dreh- und Angelpunkt für jede Einheit bildet einKern aus einem Lehmzement-Hybridstein (siehe Thema „Baumaterial“). Dem eingeschoben werden Holzdecken, bestehend aus einzelnen Bestandsbauteilen (Bauteile 4G).
Baumaterial
Neben Stampflehm als Baumaterial bestehen weiteren tragenden Wände aus Oxacrete Oulesse, ein Bindungsmittel das herkömmlichen Zement ersetzen kann und zu Teilen aus Abbruchmaterialien besteht.Zu prüfen ist, ob dieser Prozess parallel zum kontrollierten Abbau des Bestandes genutzt werden könnte. Denkbar wäre eine Ziegelstein-Produktionsstätte für die massiven tragenden Lehmziegelwände. Die Infrastruktur bietet die bereits vorhandene Betonfertigteilhalle, hier wäre eine Produktion nach „In-Situ-Verfahren“ vorstellbar.